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Kaffeeklatsch

Ein Jahr Leben auf der Baustelle – so ist es wirklich

Als wir Anfang letzten Jahres verkündeten, dass wir im Sommer auf die Baustelle ziehen werden, haben uns alle für verrückt erklärt. Nicht ohne Grund, denn wir hatten noch nicht einmal die Ziegel auf dem Dach!

Jetzt nach einem Jahr Leben auf der Baustelle möchte ich berichten wie es wirklich ist auf einer aktiven Baustelle zu leben, ob man wirklich mehr schafft, weil man den Fahrtweg nicht mehr hat und ob es wirklich so staubig ist, wie alle sagen. Viel Spaß beim Lesen!

Spulen wir doch die Zeit nochmal kurz zurück auf das Jahr 2022. Auf den März um genau zu sein. Eigentlich wollten wir unsere Wohnung schon im Januar kündigen, doch haben wir schnell gemerkt, dass das Dach, unsere zu dem Zeitpunkt größte Baustelle, noch einige Zeit länger brauchte als gedacht.

Zu meinem Geburtstag im März wollten wir entscheiden, wann wir es wagen zu kündigen. Noch nicht. Noch ein bisschen warten … Dann kam der April und mit ihm eine erneute unnötige Auseinandersetzung mit unserem Wohnungsvermieter, der mal wieder der Meinung war sich alles erlauben zu dürfen, nur weil wir dort zur Miete wohnten.

Es war so ein wunderschönes Gefühl direkt nach dieser Auseinandersetzung diesen lang ersehnten Brief zu verfassen und abzuschicken: die Kündigung. Nicht nur für uns, sondern auch als Zeichen, dass wir nicht alles mit uns machen lassen würden.

Ab jetzt hatten wir 3 Monate Zeit um das Haus soweit bewohnbar zu machen, dass wir zu dritt dort hinziehen konnten. Auf die Baustelle natürlich, denn bis zum fertigen Haus würden wir mindestens noch 2 Jahre brauchen – vielleicht länger.

Im Nachhinein frage ich mich manchmal, ob uns 2-3 Monate mehr Zeit besser gewesen wären. Doch das hätte bedeutet, dass wir die Baustelle UND die Wohnung mit Holz hätten beheizen müssen. Wer sich noch an den Winter 2022 erinnert, erkennt schnell das Dilemma: die Kohle und Holzpreise waren enorm angestiegen, weil der Gaspreis so hoch war. Alles hatte seine Vor- und Nachteile.

Am Vortag des Umzugs waren wir noch damit beschäftigt den Fußboden zu verlegen und haben selbst das nicht ganz geschafft. Verrückt. Dennoch war es ein unglaublich befreiendes Gefühl zum allerersten Mal im eigenen Haus zu schlafen.

Keine nervenden Vermieter mehr. Keine gemauschelte Betriebskostenabrechnung. Keine Geräusche im Haus außer unserer eigenen. Das alles hat uns sehr geholfen über die Unannehmlichkeiten der ersten Wochen und Monate hinwegzusehen.

Zum Beispiel hatten wir noch keine Dusche im Haus – nur eine Solar-Gartendusche.

Das Leben auf der Baustelle ist staubig!

Diesen Satz haben wir sehr, sehr oft gehört. Und nach einem Jahr auf der Baustelle kann ich sagen: ja, das ist tatsächlich so!

Obwohl wir zuerst das Dachgeschoss notdürftig fertiggestellt haben, damit wenigstens unser Kind nicht im Chaos leben muss, war er überall: der Dreck und sein kleiner Bruder, der Staub.

Beim Bauen haben wir darauf geachtet die staubigen Arbeiten wie Mörtel anrühren, Holz schleifen etc. draußen zu erledigen. Dennoch wirbelten wir immer etwas Staub auf. Im Flur hatten wir schon den Beton gegossen, doch in den beiden großen Erdgeschosszimmern waren immer noch die alten Dielen, die auf Sand lagen. An den Kanten zum Beton des Flures kam dieser Sand aber immer etwas hervor.

Der Baustaubsauger hat uns zwar gute Dienste geleistet, aber für große Flächen war es ein zeitlicher Kraftakt und er kam auch mit den Katzenhaaren und Fusseln nicht so gut zurecht – der Filter verstopfte dadurch viel schneller.

Meinen guten Haushaltsstaubsauger wiederum wollte ich nicht mit kleinen Mörtelresten, Sand und Holzschleifstaub ruinieren.

Also blieb oft nur Fegen. Wischen ging wieder auf dem rauen Betonboden nicht.

Als wir dann Mitte des Jahres die Fachwerkbalken abgeschliffen und die letzten Kalkputzreste von den Wänden klopften, war ich froh das letzte bisschen richtiger Drecksarbeit im Haus hinter mir zu haben.

Wer gegen Staub allergisch ist oder einen Putzfimmel hat, dem würde ich dringend davon abraten auf eine Baustelle zu ziehen.

Man schafft mehr wenn man auf der Baustelle lebt

Die Logik hinter dieser Aussage ist, dass man sich den Anfahrtsweg zur Baustelle spart und quasi jederzeit, wenn man zu Hause ist etwas an der Baustelle machen kann.

Das hat sich für uns nicht bewahrheitet. Wir hatten vorher einen Anfahrtsweg von 5min. Wir hätten sogar laufen können. Dadurch war es nie ein Problem kurz nochmal zur Baustelle zu fahren.

Problematisch war eher, dass Leben auf der Baustelle. Zum einen hatten wir viele Ablenkungen durch das Handy, PC, nur noch schnell mal was im Haushalt machen, alles Dinge, die vorher auf der Baustelle nicht vorhanden waren. Diese Ablenkungen haben oft dazu geführt, dass wir etwas angefangen haben, kurz Emails angeschaut haben und zack war man wieder raus aus dem Arbeitsfluss.

Vorher sind wir immer mit einer bestimmten Aufgabenstellung auf die Baustelle gefahren und haben dann solange gearbeitet bis es erledigt war oder es zu dunkel wurde.

Inzwischen besprechen wir jeden Monat die Arbeiten, die auf jeden Fall gemacht werden müssen und setzen die höchste Priorität darauf. Natürlich müssen auch viele andere Kleinigkeiten erledigt werden. Doch diese eine Aufgabe des Monats muss geschafft werden, komme was wolle!

Diese Aufgaben sind meist zeitlich dringend. Wie zum Beispiel momentan, dass der Kaminofen eingebaut und abgenommen wird damit wir heizen können, wenn die kalten Nächte kommen. Jetzt Mitte September wird das dringender und dringender.

Ebenso alles, was im Außenbereich noch verputzt oder gegossen werden muss. Alle Dinge eben, die während der Kälteperiode nicht mehr gemacht werden sollten.

Mit diesen Terminen im Hinterkopf ist es auch auf der Baustelle lebend einfacher die Dringlichkeit aufrechtzuerhalten, um zermürbende Aufgaben nicht zu lange vor sich herzuschieben. Denn an jeder dieser Aufgaben hängt ein Rattenschwanz an Zwischenschritten, die immer länger dauern als die eigentliche Aufgabe.

Und dann ist da noch das Räumen.

Wenn man ein sehr großes Haus hat, hat man immerhin die Räume um Dinge erstmal aus dem Weg zu halten. Unser Haus ist nicht sonderlich groß, weshalb wir anfangs vieles noch in den Umzugskisten behalten haben. Kisten lassen sich deutlich einfacher umstapeln, als alles in Schränken aufzubewahren und diesen Schrank dann wieder umzuräumen.

Wenn man einen großen Raum zur Aufbewahrung hat, in dem man auch Regale aufstellen kann, kann man sich sehr glücklich schätzen.

Wenn wir etwas weiterbauen wollten, mussten wir oft erstmal den Platz davor freiräumen. Das kostet Zeit. Ging aber leider nicht anders.

Wir sind keine Minimalisten, aber auch keine Messis. Deshalb war es für mich oft schwierig regelmäßig alles wieder umzustrukturieren damit man trotzdem alles für den alltäglichen Gebrauch wiederfinden konnte.

Jetzt, wo wir eine Vorratskammer haben, ist es deutlich einfacher geworden. Auch die Drempelverkleidungen im Dachgeschoss haben enorm dazu beigetragen das Haus optisch zu beruhigen.


Leben auf der Baustelle – Gespräch mit ManDIY


Macht zuerst einen Raum 100% fertig um euch wohlzufühlen.

Diese Aussage ist meiner Meinung nach für uns nie passend gewesen. Was nützt mir ein wunderschön fertiges Schlafzimmer, wenn ich keine intakte Dusche habe? Wenn das Dach nicht fertig ist oder es durch die Fenster pfeift?

Da sind wir wieder bei den Prioritäten. Es gab und gibt noch so viele Dinge im und am Haus zu machen, die essenziell wichtig sind. Eine funktionierende Dusche war wichtig, aber danach war es wichtiger eine funktionierende Küche zu haben als die Fliesen an die Duschwand zu kleben (die war durch die Beschichtung schon dicht).

So haben wir oft verschiedene Baustellen aufgemacht und abgearbeitet. Von außen betrachtet oft ein ewiges hin und her. Aber es war oft wie viele kleine Feuer löschen. Es gab nicht diese eine große Aufgabe zu erledigen, sondern ein Abarbeiten der Prioritätenliste.

Ob da die Wand noch verputzt werden muss, war uns da nicht so wichtig wie eine funktionierende Spüle oder ein Lichtschalter.

Sicher hat jeder seine eigenen Prioritäten, doch unsere lag bei den essenziellen Dingen wie Strom, Wasser, Abwasser, Wärme.

Bis heute gibt es keinen einzigen Raum, den ich als fertig betrachten würde. Und das ist ok. Scheuerleisten und Wandfarbe sind nicht so wichtig wie den Kaminofen aufzustellen – kosten aber oft genauso viel wenn nicht mehr Zeit! Von den Kosten reden wir mal nicht. Denn alles, was ans hübsch machen geht, kostet erstaunlich viel Geld.

Das Leben auf der Baustelle – das würden wir anders machen

Ich muss wirklich überlegen, denn alle Entscheidungen hatten Gründe, die anders oft nicht umgehbar waren. Viele Entscheidungen haben wir auch aus dem Wissen, das wir damals hatten heraus getroffen. Später ist man ja immer schlauer.

Eine Sache wäre aber in jedem Fall sehr gut gewesen: ein großer Schuppen für Bretter über 4 m Länge. Wir mussten alle Bretter und Balken über 4 m immer im Haus lagern, weil wir anderswo keinen Platz dafür hatten. Planen sind zwar eine gute Sache, aber es kommt immer Feuchtigkeit irgendwo hindurch.

Unser Kaminholzstapelregal hätten wir tiefer machen sollen, um mehr Holz zu fassen. Mit einem Holzofen verbrennt man so viel mehr als man denkt!

Wir hätten unser Baumaterial von Anfang an lieber im Obstgarten hinter dem Stall stapeln sollen. Dadurch wären der Vorgarten und der Innenhof immer optisch frei geblieben und uns wären die ganzen Kommentare hinsichtlich unserer Unordnung erspart geblieben. Aus den Augen – aus dem Sinn. Dann wäre alles auf einem Raum gewesen – aber alles nach hinten zu schaffen und bei Bedarf vorzuholen, hätte viel Arbeit bedeutet. Hätte ich nochmal die Wahl, würde ich es so machen. Alleine schon um nicht überall Stapel zu sehen.

Nachdem wir jetzt den Betonboden im Erdgeschoss haben leben lassen, frage ich mich, ob es nicht sinnvoll gewesen wäre das schon vor dem Umzug zu machen. Wir hätten uns sehr viel Dreck und auch Arbeit erspart.

Letztlich ging es aber wegen der Finanzen und auch zeitlich nicht. Die Abwasserrohre der Küche hätten in dem Fall schon vorher dort hingelegt werden und wir hätten alle Dielen herausreißen müssen. Damals stand noch alles voll mit Baumaterial in der jetzigen Küche. Vielleicht hätte uns ein Monat mehr geholfen, aber wer weiß das schon.

Fazit

Das Leben auf der Baustelle ist sicher nicht für jeden. Für uns war es mehr ein Befreiungsschlag hin zu einem selbstbestimmteren Leben. Das war uns wichtiger als eine bequeme Wohnung.

Auch rückblickend muss ich sagen, dass wir es wieder so machen würden. Wer also darüber nachdenkt in sein unfertiges Haus zu ziehen, um Kosten zu sparen, dem sei gesagt, dass es geht. Es ist anstrengend, aber es geht.

Man lernt zu schätzen, was man an Fortschritten macht (Lichtschalter, warmes Wasser!!!) und gewinnt dadurch einen ganz anderen Blick auf das Leben. Viele Dinge, die man so selbstverständlich ansieht, werden zu etwas Besonderem.

Das Leben auf der Baustelle kann sehr zermürbend sein und wenn man eher das Glas halb leer sieht, würde ich es nicht empfehlen. Ein Schuss positives Denken und Vorstellungskraft gehört definitiv mit dazu!